• „Schweine können doch fliegen“: Einsatz von Tierfetten zum Betrieb von Autos und Flugzeugen immer unhaltbarer

    Aus Abfallprodukten wie Tierfetten hergestellte Biotreibstoffe wurden lange als Allheilmittel für emissionsfreien Verkehr in Europa angesehen. Doch allein für einen Flug von Frankfurt nach New York werden 10.400 tote Schweine benötigt. Der steigende Einsatz von Tierfetten im Transportbereich wirft zusehends Bedenken auf, da deren Verfügbarkeit limitiert ist und ihre Kennzeichnung mit Risiken zum Betrug verbunden ist.

    Der zunehmende Gebrauch von Tierfetten zum Betrieb von Autos und Flugzeugen in Europa wird laut einer neuen Studie von Transport & Environment (T&E) immer unhaltbarer. Die Umweltgruppe fordert mehr Transparenz, damit Verbraucher:innen wissen, was sie tanken und mit welchem Treibstoff ihr nächster Flug abhebt.

    Der Gebrauch von Biodiesel aus Tierfetten hat sich im letzten Jahrzehnt verdoppelt und ist 40 Mal höher als noch 2006. Europäische Gesetzgeber:innen fördern das Nebenprodukt der industriellen Fleischproduktion als Mittel zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes von Treibstoffen – aktuell besonders für Flugzeuge und in geringerem Maße für Schiffe. Allerdings gibt es davon nicht genug. Fast die Hälfte aller europäischen Tierfette fließt bereits in Biodiesel, obwohl das Produkt umfangreich auch in der Tierfutter-, Seifen- und Kosmetikindustrie benötigt wird. Prognosen zufolge soll der Einsatz von Tierfetten als Biotreibstoff bis 2030 um das Dreifache wachsen. T&E warnt, dass dieser Anstieg nicht nachhaltig sein kann, da es nicht genug vom Nebenprodukt Tierfett geben wird. 

    Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E Deutschland, sagte: “Schweine können also doch fliegen. Jahrelang haben wir Tierfette in Autos verbrannt, ohne dass es die Fahrer:innen wussten. Jetzt treiben Tierfette Flugzeuge an. Aber ihr Einsatz kann nicht nachhaltig wachsen. Das Nebenprodukt ist begrenzt. Landen mehr und mehr Tierfette in Tanks, dann fehlt das Produkt in anderen Sektoren, die dann wiederum auf schädliche Alternativen wie Palmöl umsteigen. Wir brauchen mehr Transparenz. Verbraucher:innen müssen wissen, wie viele tote Schweine für ihren Flug eingesetzt werden.”

     

    Große Fluggesellschaften wie Ryanair und Wizz Air haben kürzlich umfassende Verträge mit Öllieferanten für sogenannte „nachhaltige Flugkraftstoffe“ (SAF) abgeschlossen. Einzelheiten über die genauen Rohstoffe, die in SAFs verwendet werden, sind oft vage. Aber Prognosen der Beratungsfirma Stratas Advisors zeigen, dass Tierfette neben Altspeiseöl der am häufigsten verwendete Abfall-Rohstoff in SAFs sein werden. 

    Der zunehmende Einsatz von Tierfetten als Biokraftstoff ist besonders problematisch für die Tierfutter-, Seifen- und Kosmetikindustrie, die Tierfette umfangreich verwenden und nur wenige oder keine Alternativen haben. Hersteller von Tierfutter haben bereits gewarnt, dass sie auf “weniger nachhaltige Optionen” wie Palmöl umsteigen müssen. Seifen- und Kosmetikproduzenten werden voraussichtlich einen ähnlichen Weg gehen, da Palmöl die billigste verfügbare Alternative ist [1].

    Möglicher Betrug

    Tierfette wachsen nicht auf Bäumen. Anbieter von Tierfutter müssen zum Beispiel die Nachhaltigkeit ihrer Produkte reduzieren, indem sie Palmöl verwenden. Gleichzeitig haben wir bei der Verwendung von gebrauchtem Speiseöl gesehen, dass das Risiko zum Betrug steigt. Durch die Fehletikettierung von Tierfett könnte Betrug in industriellem Maßstab stattfinden“, sagte Sebastian Bock.

    Tierfette werden in drei Kategorien unterteilt. Die Kategorien 1 und 2 umfassen Tierfette, die nicht von Menschen oder Tieren konsumiert werden können, da sie von schlechter Qualität sind oder potenziell Krankheitserreger tragen. Diese werden normalerweise nur in Kraftstoffen oder zum Heizen verwendet. Tierfette der Kategorie 3 sind von besserer Qualität und werden von einer Reihe verschiedener Industrien verwendet.

    Die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED) setzt Anreize für die Produktion von Tierfetten für Kraftstoffe, indem sie Kraftstofflieferanten erlaubt, ihre erneuerbaren Ziele damit zu erreichen. Im Rahmen der Richtlinien werden die Kategorien 1 und 2 für Kraftstoffe priorisiert, indem sie doppelt für die Erfüllung der Ziele berechnet werden können.

    Im vergangenen Jahr verbrauchten die europäischen Länder nach eigenen Angaben doppelt so viel Biokraftstoffe der Kategorien 1 und 2 wie die Tierfettindustrie in diesen Kategorien herstellte. Dies legt nahe, dass höherwertige Tierfette der Kategorie 3 als Kategorien 1 und 2 etikettiert werden. Da diese tierischen Fette in Kraftstoffen wertvoller sind, besteht die Gefahr, dass Hersteller und Lieferanten hochwertige tierische Fette herabstufen, um die Ziele für erneuerbare Kraftstoffe im Verkehr zu erreichen. Sollte dies absichtlich geschehen, wäre dies ein Betrug auf industrieller Ebene, warnt T&E. [2] 

     

    Anmerkungen für die Redaktion

    [1] Siehe S. 13 im Briefing 

    [2] Trotz der Anreize für Kraftstofflieferanten, Fette der Kategorien 1 und 2 zu bevorzugen, ist die Verwendung dieser minderwertigen tierischen Fette seit 2014 nur um 36 % gestiegen, verglichen mit 160 % bei den hochwertigeren tierischen Fetten (Kategorie 3), die in anderen Branchen verwendet werden.