• Scholz’ Regierung droht EU-Green Deal wegen Verbrenner-Aus zu kippen

    "Klimakanzler" muss klare Grenzen ziehen zwischen nationalen Streitigkeiten und bereits ausgehandelten Abkommen mit EU-Partnern ziehen

    Hintergrund

    Verkehrsminister Wissing hat diese Woche damit gedroht, dass sich die Bundesregierung bei einer EU-Abstimmung über das Ende des Verkaufs neuer Autos und Lieferwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 enthalten wird. Die EU-Regierungen und das Europäische Parlament haben sich im vergangenen Jahr auf die Frist 2035 geeinigt, nachdem die Deutschland, einschließlich der FDP, zugestimmt hatte, das Gesetz zu unterstützen.

    Eine endgültige Abstimmung der Minister über das Abkommen war für kommenden Dienstag (10 Uhr in Brüssel) geplant und sollte eine Formalität sein. Die Abstimmung wurde jedoch verschoben, ohne dass ein neuer Termin genannt wurde. Nun droht die FDP damit, dass Deutschland sich der Stimme enthalten und damit einen wichtigen Teil des europäischen Green Deals blockieren wird. Der Green Deal ist der EU- Plan, bis 2050 klimaneutral zu werden. Autos sind für 12 Prozent der Treibhausgasemissionen in Europa verantwortlich. Ein schrittweiser Ausstieg des Verbrennungsmotors für Autos und Lieferwagen bis 2035 würde in der EU bis 2050 fast 2 Gt CO2 einsparen.

    Kommentar

    Sebastian Bock, Geschäftsführer von Transport & Environment Deutschland sagte: “Machen die Liberalen aus dem Verbrenner-Aus ein Koalitions-Aus? Mit ihrer Blockadepolitik riskieren die Liberalen nicht nur den Bruch der Koalition, sondern vor allem die Glaubwürdigkeit Deutschlands und das Vertrauen der Industrie in planbare Politik. Die Kehrtwende Wissings auf den letzten Metern erweckt den Eindruck, es ginge hier weniger um E-Fuels als um Egos. Die FDP versucht sich mit Vorschlägen aus dem letzten Jahrhundert zu retten — dabei hat der Verbrenner schon längst milliardenschwere Konkurrenz aus den USA und China, die drohen, mit umfangreichen Investitionen in Elektromobilität Europa abzuhängen.”

    “Der selbsternannte Klimakanzler muss jetzt ein Machtwort sprechen und eine klare Linie ziehen – zwischen durchsichtiger Klientelpolitik und Deutschlands Verlässlichkeit auf dem EU-Parkett. Kippt das Verbrenner-Aus, wird das Scheitern der EU-Klimapolitik für immer mit dem Namen Olaf Scholz verbunden bleiben. Der Kanzler muss sich überlegen, ob er die Zukunftsfähigkeit des Automobilstandort Deutschland nachhaltig schwächen will um der FDP ein paar Wähler:innenstimmen zu bescheren. Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass sich die SPD und allen voran Scholz hinter dem Koalitionsstreit zwischen Grünen und FDP noch länger verstecken könnte.”

    Was bringen E-Fuels für Autos?

    • Mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) betriebene Autos sind eine weit weniger umweltfreundliche Lösung als batteriebetriebene Elektroautos. Analysen zeigen, dass ein Auto, das mit E-Fuels betrieben wird, während seiner Lebensdauer deutlich mehr CO2 ausstößt als ein Elektroauto.
    • Durch Autos mit E-Fuels lassen sich Probleme der Luftverschmutzung nicht lösen. In unabhängigen Tests stoßen Autos, die mit E-Fuels betrieben werden, genauso viel giftige Stickoxide (NOx) aus wie mit fossilen Kraftstoffen betriebene Autos.
    • E-Fuels sind teuer in der Herstellung. Ein Auto, das fünf Jahre lang mit E-Fuels betrieben wird, kostet den Fahrer 10.000 € mehr als ein batteriebetriebenes Elektroauto. 
    • Der Betrieb von Autos mit E-Fuels ist weitaus energieintensiver als der Betrieb von Elektrofahrzeugen: Ein elektrischer Volkswagen ID.3 fährt mit der gleichen Menge erneuerbarer Energie fünfmal weiter als ein VW Golf, der mit E-Fuels betrieben wird, so die Analyse von T&E. Ein BMW i4 könnte sechsmal weiter fahren als ein BMW 4er mit Verbrennungsmotor.
    • Eigene Daten der Raffinerie-Industrie zeigen, dass die für das Jahr 2035 prognostizierte Menge an E-Fuels nur fünf Millionen Autos des prognostizierten EU-Fuhrparks von 287 Millionen betanken würde. Selbst die Industrie glaubt nicht an E-Fuels als brauchbare Alternative zu fossilen Kraftstoffen.
    • Führende Vertreter der Automobilindustrie haben den künftigen Einsatz von E-Fuels für Autos bereits abgelehnt. Der Vorstandsvorsitzende des Volkswagen-Konzerns, Oliver Blume, düpetierte auf dem Autogipfel des Kanzlers FDP-Chef Lindner wegen seines Vorstoßes zu E-Fuels und bestätigte auch später gegenüber dem Spiegel, dass er die künftige Anwendung von E-Fuels vorrangig bei Bestandsfahrzeugen sehe.