• E-Fuels reichen nur für 2 Prozent der Autos in Europa im Jahr 2035 – Analyse

    Ausnahmeregelungen für synthetische Kraftstoffe beim EU-Verbrenner-Aus für Neuwagen ab 2035 würden die Emissionen in der Bestandsflotte nicht senken.

    Die fossile Kraftstofflobby hofft, dass E-Fuels dem Verbrennungsmotor helfen können, das geplante EU-Verkaufsverbot im Jahr 2035 zu umgehen. Lobbyisten behaupten immer wieder, wenn auch nach 2035 neue Verbrenner, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden, zugelassen werden dürfen, würde das den Hochlauf der E-Fuel-Technologie befördern und die bestehende Fahrzeugflotte klimaneutral werden lassen. Eine neue Analyse basierend auf Daten der Öllobby [1] zeigt jedoch, dass die Menge an produzierten E-Fuels bis 2035 lediglich dafür ausreicht, etwa 2 % aller Autos auf Europas Straßen anzutreiben.

    Die Produktion von synthetischen Kraftstoffen, die chemisch mit Benzin und Diesel verwandt sind, wird zum Zeitpunkt des geplanten Verbrenner-Aus noch nicht hochgefahren sein. Mit der von der Industrie prognostizierten verfügbaren Menge könnten im Jahr 2035 nur 5 Millionen der insgesamt 287 Millionen Autos in der EU vollständig mit synthetischem Kraftstoff betrieben werden, so die Analyse des unabhängigen Think Tanks Transport & Environment (T&E) . Laut T&E sind E-Fuels in Autos ein trojanisches Pferd für Ölkonzerne und Hersteller von Verbrennungsmotoren, um den Übergang zu echten klimaneutralen Technologien zu verzögern. EU-Gesetzgeber und besonders die Bundesregierung sollte daher dem Druck der Industrie widerstehen und kein Schlupfloch für E-Fuels in den europäischen Flottengrenzwerten schaffen, die derzeit verhandelt werden.

    Friederike Piper von T&E Deutschland sagte: “In Deutschland stellt sich die FDP auf die Seite der Kraftstoffindustrie, wenn sie versucht, dem Verbrennungsmotor mit E-Fuels neues Leben einzuhauchen. E-Fuels stellen keine realistische Lösung für die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs dar. Die verfügbare Menge an synthetischen Kraftstoffen wird bis 2035 nur für einen sehr geringen Teil der Autos auf Europas Straßen reichen. Die Gesetzgeber sollten bei den europäischen CO2-Flottengrenzwerten keine Schlupflöcher für diese Technologie  offenlassen.”

    Die Prognose der Industrie basiert auf E-Fuels, die in der EU hergestellt werden. Allerdings soll ein Teil des Kohlenstoffs von industriellen Punktquellen abgeschieden werden [2]. Es ist außerdem nicht klar, wie viel des benötigten Stroms als 100 % erneuerbar zertifiziert ist [3]. Die Zahl der Fahrzeuge, die mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden könnten, wäre daher sogar noch geringer, wenn nur wirklich klimaneutrale E-Fuels – also solche, die vollständig aus zusätzlichem erneuerbarem Strom und aus der Luft abgeschiedenem CO2 hergestellt werden – verwendet würden.

    T&E ist der Meinung, dass synthetische Kraftstoffe, die in Europa hergestellt werden, vorrangig für Flugzeuge und Schiffe verwendet werden sollten, die nicht elektrifiziert werden können. Die Pläne der Industrie, E-Fuels im großem Umfang zu importieren, seien zudem unrealistisch, weil sowohl die Produktionsanlagen als auch globale Zertifizierungsstandards für synthetische Kraftstoffe fehlen. E-Fuels aus anderen Regionen zu importieren würde außerdem die Bemühungen in weniger entwickelten Volkswirtschaften verzögern, ihre eigene Verkehrs- und Strominfrastruktur zu dekarbonisieren, und gleichzeitig neue Energieabhängigkeiten schaffen.

    Friederike Piper von T&E Deutschland sagte: “Europa kann es sich nicht leisten, auf die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs durch ineffiziente E-Fuels zu setzen. Für deren Produktion würden große Mengen zusätzlicher erneuerbarer Energie benötigt, die in Europa mittelfristig nicht zur Verfügung stehen werden. Die Herstellung im Ausland würde die Energiewende dieser zum Teil sehr armen Länder massiv erschweren. Gleichzeitig würde Europa neue Abhängigkeiten in der Energieversorgung schaffen, anstatt mit effizienten Elektroautos wirklich unabhängig zu werden.”

    Synthetische Kraftstoffe sind außerdem eine weit weniger umweltfreundliche Lösung für Autos als der vollelektrische Antrieb. Bis 2030 wird ein Elektroauto über seinen Lebenszyklus hinweg 53 % weniger CO2 ausstoßen als ein mit E-Fuels betriebenes Auto, wie jüngst eine Lebenszyklusanalyse erwiesen hat.

    Zudem wird die Verbrennung von E-Fuels in Autos die Schadstoffemissionen, eine der größten Quellen der Luftverschmutzung, nicht verringern. Letztes Jahr haben Labortests gezeigt, dass ein Auto, das synthetische Kraftstoffe verbrennt, genauso viele giftige NOx-Emissionen ausstößt wie durch die Verbrennung von fossilen Kraftstoffen entstehen würden. Synthetische Kraftstoffe werden auch noch in Zukunft teuer in der Herstellung bleiben und der Betrieb eines Autos mit E-Fuels wird durchschnittliche Autofahrer:innen innerhalb von fünf Jahren 10.000 Euro mehr kosten als der Betrieb eines Elektroautos. E-Fuels im Straßenverkehr sind im Vergleich zur direkten Elektrifizierung äußerst ineffizient: Würden in der EU nur 10 % der Fahrzeuge auf E-Fuels und weitere 10 % auf Wasserstoff umgestellt, würde der Strombedarf um 36 % steigen.

    Die EU-Gesetzgeber finalisieren derzeit die Regeln des vorgeschlagenen Verbrenner-Aus im Jahr 2035. Die nächste Verhandlungsrunde findet am 27. Oktober statt. Bei den Verhandlungen der EU-Umweltminister hatte die Bundesregierung darauf bestanden, einen weitgehend wirkungslosen Nebensatz in die Verordnung für die europäischen Flottengrenzwerte aufzunehmen. Dieser Satz, der die Nutzung von E-Fuels für Fahrzeuge erlauben soll, die nicht durch Flottengrenzwerte reguliert werden, wurde auf Drängen der FDP zur Position der Bundesregierung hinzugefügt.

    Hinweise für die Redaktion:

    [1] Diese Produktionsprognose für E-Fuels basiert auf dem optimistischsten Szenario, das von Concawe, der Forschungseinheit der Raffinerieindustrie, prognostiziert wurde. In diesem Szenario werden synthetische Kraftstoffe im gesamten Verkehrssektor eingesetzt, einschließlich Straßen-, Luft- und Seeverkehr. Die Mengen an E-Fuels in diesem Szenario beruhen auf der voraussichtlichen Installation neuer E-Fuel-Produktionsanlagen in Europa.
    https://www.concawe.eu/wp-content/uploads/Rpt_21-7.pdf 

    [2] Concawe Report, Seite 28 “…this assessment does not differentiate between direct air capture (DAC) technologies or CO2 captured from concentrated sources”.

    Außerdem Concawe Report, Seite 24  “…captured either from a concentrated source (flue gases from an industrial site) or from the air (Direct Air Capture)”.

    Die Herstellung von E-Fuels mit aus fossilen Quellen abgeschiedenem Kohlenstoff wird möglicherweise Investitionen in fossile Infrastruktur binden, ihre Dekarbonisierung verlangsamen und auch zu einer Verzögerung der Investitionen und der Entwicklung der direkten Luftabscheidung führen.

    [3] Concawe Report, Seite 28 “As an initial estimate, this assessment is based on smaller-size units connected to the grid and certifying the renewability content of electricity either by direct Purchase Agreements or other certification mechanisms”.

    Es ist unklar, worauf sich  “other certification mechanisms” bezieht, ob diese Mechanismen die Zusätzlichkeit des Stroms aus erneuerbaren Energien gewährleisten und sicherstellen, dass Ort und Zeitpunkt der Stromerzeugung mit dem Verbrauch übereinstimmen.