• Berechnungen zeigen: Regierungsposition zu CO2-Grenzwerten für Pkw steht Klimazielen im Weg

    Umweltorganisationen Transport & Environment und NABU fordern Eingreifen von Klimaminister Habeck

    Sollte die Regierungskoalition bei ihrer Entscheidung bleiben, nicht auf eine weitergehende Verschärfung der CO2-Grenzwerte für neue Pkw zu bestehen, würde dies zu einer Verfehlung der deutschen Klimaziele führen, so eine neue Analyse von Transport & Environment (T&E). Demnach würde der Bestand an batterieelektrischen Pkw im Jahr 2030 rund 4 Millionen hinter dem Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen Fahrzeugen zurückbleiben[i]. In der Konsequenz müsste Verkehrsminister Volker Wissing auf nationaler Ebene zu anderen Klimaschutzinstrumenten greifen, um die benötigte Treibhausgasminderung im Verkehrssektor zu erreichen. Hierzu zählen etwa ein Tempolimit, höhere Kraftstoffpreise oder eine Pkw-Maut.

    Vizekanzler Robert Habeck müsse sich in seiner Funktion als Klima-, aber auch Wirtschaftsminister einschalten und auf eine weitergehende Verschärfung der Verbrauchsgrenzwerte dringen, so die Umweltverbände. Es sei unverständlich, warum sich das Ministerium bei den Verhandlungen über das zentrale Instrument zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors nicht stärker eingebracht habe. Der aktuellen Position mangele es nicht nur an Ambition und Zwischenzielen, Deutschland verpasse auch die Chance, sich endlich zu einem konkreten Ausstiegsdatum für Autos mit Verbrennungsmotor zu bekennen.

    Dabei könnte die Bundesregierung laut Analyse ihr Ziel von 15 Millionen Elektrofahrzeugen im Jahr 2030 sogar leicht übertreffen, indem sie sich für eine schrittweise Erhöhung der europäischen Flottengrenzwerte für Pkw auf 30 % im Jahr 2025, 45 % im Jahr 2027 und 80 % im Jahr 2030 einsetzt[ii]. Autohersteller wären so gezwungen, mehr Elektroautos zu produzieren und zu verkaufen und somit ihre Ankündigungen auch in der Praxis umzusetzen. In der Folge würden sich signifikante jährliche CO2-Minderungen ergeben, die einen erheblichen Teil der benötigten Treibhausgaseinsparungen des Verkehrssektors liefern.

    Friederike Piper, Referentin für Elektromobilität bei T&E, sagte: „Bundesminister Habeck muss dringend handeln, wenn diese Regierungskoalition eine Chance haben soll, ihre Klimaziele zu erreichen. Deutschland ist nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch im Interesse der Zukunft des Automobilstandorts Deutschland verpflichtet, sich für strengere Flottengrenzwerte einzusetzen. Es wäre fatal, diese aktuelle Chance verstreichen zu lassen und keine Planungssicherheit für die nationale Industrie zu schaffen. Denn das käme nur den chinesischen Automobilherstellern zugute.“

    Nikolas von Wysiecki, verkehrspolitischer Referent beim NABU, sagte: „Deutschland muss wie andere Länder ein verbindliches Ausstiegsdatum für Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotor festlegen. Auch die Pläne, synthetische Kraftstoffe für den Pkw-Verkehr in irgendeiner Weise zu fördern, können von deutschen Herstellern nur als Signal verstanden werden, Autos mit Verbrennungsmotor weiterzuentwickeln, während der Rest der Welt bereits auf Elektroautos setzt.“

    Synthetische Kraftstoffe werden von Teilen der Industrie als Möglichkeit gesehen, die Lebensdauer des Verbrennungsmotors auch über 2035 hinaus zu verlängern. Es sei betrüblich zu sehen, dass das FDP-geführte Verkehrsministerium dieser Einschätzung mittlerweile wieder folge, nachdem Verkehrsminister Wissing sich zunächst öffentlich klar anders positioniert hatte. Strombasierte Kraftstoffe seien höchst ineffizient, da sie rund fünfmal mehr Energie als ein Elektroauto benötigen und entsprechend teuer in der Herstellung. Jüngste Labortests hätten zudem auch gezeigt, dass Autos, die mit sogenannten E-fuels betrieben werden, die Luft genauso mit Stickoxiden verschmutzen, wie fossile Kraftstoffe.

    Hinweis an die Redakteure:

    [i] Die Analyse basiert auf einer T&E-Modellierung von europäischen CO2-Flottengrenzwerten für Pkw. In der Analyse wird sowohl der aktuelle Entwicklungsstand von Märkten für Elektrofahrzeuge (EVs und PHEVs) in jedem einzelnen Mitgliedstaat berücksichtigt als auch die Wahrscheinlichkeit von einzelnen Mitgliedstaaten Vorreiter (early adopters) oder Nachzügler (laggards) beim Markthochlauf der Elektromobilität zu sein. Die Aufteilung von Mitgliedstaaten in early adopters und laggards basiert auf der Studie von BloombergNEF 2021, Hitting EV inflection point. Zugleich wird angenommen, dass die Flottengrezwerte EU-weit von den Automobilherstellern eingehalten werden.

    [ii] Für weitere Details siehe bitte das Positionspapier von T&E zu den europäischen CO2-Flottengrenzwerten für Pkw.