• 10-Punkte-Papier von Klima- und Umweltverbänden zu den Koalitionsverhandlungen

    Die Koalitionsverhandlungen haben begonnen. Klima- und Umweltverbände sagen: Klimaschutz gelingt nur mit einer echten Mobilitätswende

    Der sozial-ökologische Umbau des Verkehrssektors vom klimapolitischen Problemfall zu nachhaltiger  Mobilität ist eine der zentralen Herausforderungen der neuen Bundesregierung. Gelingt hier keine  sofortige und weitreichende Wende, wird das Erreichen der Klimaziele unmöglich. Es bedarf deshalb einer deutlichen Reduktion des motorisierten Individualverkehrs und des Flugverkehrs sowie der  Stärkung von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr. Dafür sind eine verbesserte Infrastruktur und eine Überar beitung der Pkw-zentrierten Rechts- und Subventionslage erforderlich. Auch der Güterverkehr und  hier insbesondere die Schifffahrt sowie der Schwerlastverkehr müssen endlich auf einen Paris-kom patiblen Pfad geführt werden, die Bahn ist als klimafreundliche Alternative erheblich und dauerhaft  zu stärken. Neben den positiven Effekten für Umwelt und Klima trägt ein solcher Wandel zusätzlich  zu lebenswerteren Städten, verbesserter Sicherheit mit weniger Toten (Vision Zero) und dem Ge sundheitsschutz durch eine bessere Luftqualität bei.  

    Leider wird das Ergebnis der Sondierungen zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP der großen Transformationsaufgabe im Verkehr noch nicht gerecht. Wir kritisieren insbesondere fol gende Leerstellen: 

    • Impulse für eine soziale Verkehrswende fehlen fast gänzlich, obgleich der Zugang zu er schwinglicher und zugleich klimafreundlicher Mobilität ein wichtiger Bestandteil gesellschaft licher Teilhabe ist. 
    • Schienen-, Fuß- und Radverkehr sowie die Notwendigkeit der Verkehrsvermeidung kommen  gar nicht oder kaum zur Sprache. 
    • Die klima- und sozialpolitische Weiterentwicklung der nationalen CO2-Bepreisung wird nicht  thematisiert.  
    • Ein schnellstmöglicher Ausstieg aus Pkw mit Verbrennungsmotoren wird durch den Verweis  auf den möglichen Einsatz von synthetischen Kraftstoffen konterkariert.  
    • Nationale Maßnahmen, die zu einem raschen Rückgang des Anteils von Diesel und Benzinern  führen, wie etwa eine Neuzulassungssteuer, eine E-Auto-Quote oder eine grundsätzliche Re form der Dienstwagenbesteuerung, fehlen bislang völlig.  
    • Mit der Absage an ein generelles Tempolimit verzichten die Sondierer*innen zudem auf ein  unmittelbar wirksames Instrument, das ideal als Klimaschutzsofortmaßnahme dienen würde.  Der im Ansatz positive Prüfauftrag für den Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventio nen muss zu einem klaren Plan weiterentwickelt werden, da Subventionen insbesondere im  Verkehrsbereich oftmals klimapolitische Anstrengungen konterkarieren.

    In den Koalitionsverhandlungen kommt es jetzt auf einen klimapolitischen Aufbruch im Verkehrs bereich an. Das Ergebnis der Sondierungsgespräche muss an zentralen Stellen weiterentwickelt und folgende zehn Punkte im Koalitionsvertrag verankert werden: 

    1. Eine Investitionsoffensive in den Umweltverbund, um in Stadt und Land die Schieneninfra struktur, den ÖPNV in Gänze sowie den Rad- und Fußverkehr zu fördern. Die Finanzierung  dafür ist u.a. aus dem Straßenneubau umzuwidmen. 
    2. Die Verdreifachung der Investitionen für den Ausbau des Schienennetzes, um den Deutsch landtakt umzusetzen und ein umfassendes europäisches Langstreckennetz von Tag- und  Nachtzügen zu schaffen. Der Bahnverkehr muss grundsätzlich deutlich kostengünstiger wer den als die Nutzung von Pkw oder Flugzeugen. 
    3. Ein grundlegender Umbau des Bundesverkehrswegeplans zu einem integrierten Mobilitäts plan auf Basis eines konsequent am Klimaschutz ausgerichteten Bundesmobilitätsgesetzes.  4. Eine Reform der autozentrierten Straßenverkehrsordnung, um die Straßen für den Rad- und  Fußverkehr sicherer zu machen. 
    4. Eine verursachergerechtere und deutliche Anhebung der CO2-Bepreisung mit einem kontinu ierlichen Preisanstiegspfad als Teil eines klugen Maßnahmenmixes. Der deutliche Anstieg des  CO2-Preises muss über eine Klimaprämie kompensiert werden und insbesondere Menschen  mit geringem Einkommen entlasten. 
    5. Ein schrittweiser Abbau klima- und umweltschädlicher Subventionen bis 2025, einschließ lich der Steuerbefreiung für Kerosin, der Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge  sowie des Dienstwagen- und des Dieselprivilegs. 
    6. Die Einführung einer wirksamen CO2-basierten Zulassungssteuer für klimaschädliche Neuwa gen sowie eine starke Anhebung der Kfz-Steuer, die bei Neuwagen auf dem Gewicht sowie  den CO2-Emissionen der Fahrzeuge basiert.  
    7. Ein Zulassungsstopp für Pkw mit Verbrennungsmotoren vor 2030, inklusive Plug-in-Hybri den. Der Antriebswechsel hin zu sparsamer Elektromobilität muss ohne Umwege über E Fuels und biogene Kraftstoffe erfolgen. 
    8. Ein sofortiges Moratorium für den Aus- und Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen. 10. Ein generelles Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und eine  Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts. 

    Nur wenn jetzt die Weichen für eine konsequente Mobilitätswende gestellt werden, kann die  nächste Legislaturperiode ein klimapolitischer Erfolg werden. Liebe Verhandlerinnen und Verhandler,  es liegt in Ihren Händen. Wir zählen auf Sie – für eine klimafreundliche und lebenswerte Zukunft.