Pressemitteilung

E-Fuels für die Luftfahrt: Europa läuft Gefahr, Vorsprung zu verlieren

16. Juni 2025

Zum Auftakt der Paris Air Show belegt eine neue T&E-Studie Europas Potential, Vorreiter für E-Kerosin zu werden. Es ist der am besten skalierbare nachhaltige Flugkraftstoff. Allerdings droht Europa, seine Vorreitervorteile einzubüßen.

Europa, Vorreiter bei der Ankündigung von e-Kerosin Anlagen, Nachzügler bei der Umsetzung

Eine neue T&E-Studie zeigt, dass Europa führend bei der Herstellung von e-Kerosin (auch e-SAF genannt) sein kann, da mehr als die Hälfte der weltweit angekündigten Produktionskapazität hier angesiedelt werden sollen. Derzeit sind in Europa über 40 Großprojekte [1] mit einer potenziellen E-Kerosin-Produktionskapazität fast 3 Millionen Tonnen (Mt) pro Jahr geplant. Das sind rund 5 Prozent des Kraftstoffs, den der europäische Luftfahrtsektor für seinen Betrieb benötigt.

Europas Vorsprung auf dem E-Kerosin-Markt wurde durch das EU-Gesetz über nachhaltige Flugkraftstoffe (kurz: ReFuelEU) vorangetrieben. Es legt Ziele für die Verwendung von E-Fuels in der Luftfahrt fest. Werden alle angekündigten Projekte gebaut, dann könnte die Branche diese Ziele erfüllen. Allerdings befindet sich keine der genannten Großanlagen im Bau. Nur vier sind in einem fortgeschrittenen Planungsstadium [2], für kein Projekt wurde die finale Investitionsentscheidung (FID) getroffen. Ihr langsamer Fortschritt ist auf eine Reihe von Herausforderungen zurückzuführen, wobei die Finanzierung das größte Hindernis ist. Die großen Ölkonzerne beteiligen sich bislang nicht am E-Kerosin-Markt.

Marte van der Graaf, Referentin für Luftfahrt bei T&E Deutschland, sagt: „Das EU-Gesetz über nachhaltige Flugkraftstoffe hat eine E-Kerosin-Revolution in Europa in Gang gesetzt - aber die großen Ölkonzerne nutzen dieses Potenzial nicht aus. Ohne finale Investitionsentscheidungen wird das EU-Ziel für 2030 scheitern und damit auch die Pläne einer grünen Luftfahrt. Der Erfolg von europäischem E-Kerosin wird letztendlich durch öffentliche Fördermechanismen und private Kapitalinvestitionen entschieden.”

E-Kerosin hat das Potenzial, die CO₂-Emissionen des Luftverkehrs um mehr als 90 Prozent im Vergleich zu fossilem Kerosin zu senken. Es ist daher entscheidend für die Branche, die laut Prognosen immer weiter wachsen wird. [3] Aktuell ist Europa im E-Kerosin-Sektor noch führend, [4] aber andere Märkte sind auf dem Vormarsch. China ist das zweitgrößte Hub mit über 10 angekündigten Großanlagen, die etwa 20 Prozent der weltweiten Kapazität entsprechen. Auch in den USA nimmt die Entwicklung an Fahrt auf: Das Start-up-Unternehmen Twelve mit Sitz in Kalifornien hat den bislang größten Abnahmevertrag für E-Kerosin abgeschlossen, und Infinium hat im Mai die weltweit erste Finanzierungszusage für eine E-Kerosin-Großanlage erhalten. [5]

Finanzierungsengpässe und Ölkonzerne behindern den Fortschritt

Trotz günstiger Bedingungen stehen E-Kerosin-Projekte in Europa weiterhin vor erheblichen Hürden, darunter Energiekosten, Infrastruktur und CO₂-Beschaffung. Hinzu kommt die regulatorische Unsicherheit, die durch den Druck der Industrie [6] auf die SAF-Ziele von ReFuelEU entstanden ist. Für 2027 ist eine Überprüfung der Gesetzgebung geplant.

Die Finanzierung ist das größte Hindernis, denn jede Anlage erfordert 1 bis 2 Milliarden Euro an Kapital. Der Gesamtkapitalbedarf bis 2030 liegt bei 10 bis 20 Milliarden Euro. Die EU-Finanzierungsmechanismen für E-Kerosin sind nicht stark genug, um diese Projekte auf den Weg zu bringen. Gleichzeitig sind die großen Ölkonzernen auf dem Markt kaum präsent. Sie haben bislang nur einen unerheblichen Beitrag für E-Kerosin geleistet, während sie weiterhin Milliarden für fossile Brennstoffe ausgeben.

„Trotz ihrer enormen Finanzkraft sind die großen Ölkonzerne auf dem E-Kerosin-Markt weitgehend abwesend“, sagt Marte van der Graaf. „Start-ups haben die Führung übernommen, aber es fehlen ihnen interne Ressourcen, um die dringend benötigte kapitalintensive Infrastruktur zu finanzieren. Wenn wir die großen Ölkonzerne mit ins Boot holen und die EU-Finanzierungsmechanismen auf Vordermann bringen, wird E-Kerosin den nötigen Auftrieb erhalten. Die bevorstehende EU Investitionsoffensive für nachhaltigen Verkehr ist eine Chance, die richtigen Weichen zu stellen. Sie muss e-SAF Priorität einräumen und Lösungen für die Herausforderungen vorschlagen, denen e-SAF Start-Ups in Europa derzeit gegenüberstehen.”

T&E fordert die Staats- und Regierungschefs der EU auf, ihr Engagement für die bestehenden ReFuelEU-Ziele zu bekräftigen, insbesondere vor der geplanten Überprüfung der Rechtsvorschriften. Gleichzeitig muss E-Kerosin im EU-Investitionsplan für nachhaltigen Verkehr Priorität haben. Zudem plädiert T&E für die Einrichtung eines europäischen Marktintermediärs mit einem zweiseitigen Auktionsmechanismus, um die derzeitigen Finanzierungsprobleme zu lösen.

Anmerkungen für die Redaktion

[1] Großprojekte sind definiert als Projekte mit einer Produktionskapazität von mehr als 10.000 Tonnen E-Kerosin pro Jahr.

[2] Das bedeutet, dass sich das Projekt entweder in der Phase des Front-End-Engineering-Designs (FEED) befindet oder nach Abschluss des FEED die endgültige Investitionsentscheidung (FID) ansteht.

[3] T&E, 2025. Down to earth: Why European aviation needs to urgently address its growth problem

[4] Die fünf wichtigsten Märkte in Bezug auf die angekündigte Produktionskapazität sind Frankreich (0,8 Mio. Mt), Norwegen (0,3 Mt), Finnland (0,3 Mt), Schweden (0,3 Mt) und die Niederlande (0,3 Mt), Länder mit kohlenstoffarmen Netzen und starken erneuerbaren Energiequellen. Frankreich hat die meisten Projekte in Europa angekündigt (11) und seine Projekte und Produktionskapazität seit dem letzten Jahr verdoppelt.

[5] Das Infinium-Projekt soll eine Kapazität von bis zu 23.000 Tonnen E-Fuels pro Jahr haben.

[6] Financial Times, 2025. “European airlines urge EU to pull back on climate policies

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