Briefing

Subventionierter Stillstand

25. April 2025

Wie die deutsche Steuerpolitik die Antriebswende ausbremst und damit den Wirtschaftsstandort gefährdet

Teil 1

Besteuerung im Fokus: Anreize für die saubere Technologie

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Die Automobilbranche durchläuft eine tiefgreifende Transformation hin zur E-Mobilität. Um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten, bedarf es einer Finanzpolitik, die gezielt Anreize für den Umstieg auf diese zukunftssichere Technologie schafft. Die steuerliche Gestaltung muss sicherstellen, dass E-Autos gegenüber Verbrennern bevorzugt werden - das steigert den Absatz und fördert Investitionen in innovative Technologien.

Im vergangenen Jahr blieb der E-Absatz in Deutschland hinter den Erwartungen zurück. Zwar hat sich der Markt seit Beginn dieses Jahres positiv entwickelt, doch liegt der deutsche E-Auto-Absatz weiterhin deutlich unter dem klimapolitisch notwendigen Niveau. Um diesen Rückstand aufzuholen, kann die Regierung gezielt steuerliche Anreize setzen – und das, ohne den Haushalt zusätzlich zu belasten.

Wie die folgende Analyse zeigt, sind die Steuersysteme in vielen anderen europäischen Ländern bereits deutlich besser darauf ausgerichtet, den Markt für E-Mobilität zu stärken. Nur durch eine kluge steuerpolitische Weichenstellung kann die industrielle Wende gelingen und der Automobilstandort Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern.

Was ist der “Good Tax Guide”?

Jedes Jahr veröffentlicht T&E eine Analyse der Steuern und Abgaben, die in den europäischen Staaten (EU-27 und Island, Norwegen, Schweiz und Vereinigtes Königreich) auf Pkw erhoben werden.

Differenziert wird zwischen privat und gewerblich zugelassenen Autos, da die Steuern sich hier unterscheiden. Privat werden EU-weit 40 Prozent der Pkw neuzugelassen, gewerblich sind es 60 Prozent. Der Good Tax Guide zeigt sowohl, welche Attribute wie Gewicht oder Antrieb bei welcher Steuer wo berücksichtigt werden, als auch die Höhe der jeweiligen Steuer auf ein Fahrzeug in allen untersuchten Ländern.

Es werden fünf typische Fahrzeuge herangezogen, um die vergleichbaren Steuern und Vergünstigungen in den einzelnen Ländern zu berechnen und zu vergleichen. Die fünf Fahrzeuge umfassen zwei verschiedene Antriebsarten für einen Kleinwagen (elektrisch und benzinbetrieben) sowie drei verschiedene Antriebsarten für einen Kompakt-SUV (elektrisch, benzinbetrieben und Plug-in-Hybrid).

Im Dashboard auf der T&E-Website kann man sich durch die Erkenntnisse klicken.

Teil 2

Auswertung 2025: Deutschland bietet zu geringe Anreize für saubere Mobilität

Dienstwagenbesteuerung: Lohnt sich auch in fossil

Klassische Dienstwagen, die von Mitarbeitenden auch privat gefahren werden, machen ungefähr die Hälfte der neuen Firmenwagen in Deutschland aus. Ihre Fahrer:innen müssen die private Nutzung versteuern, indem sie entweder ein Fahrtenbuch führen, oder die sogenannte Ein-Prozent-Regel nutzen. Dabei wird pauschal 1 Prozent des Bruttolistenpreises sowie 0,03 Prozent pro Kilometer Arbeitsweg versteuert.

Unter den 31 untersuchten Ländern gehört Deutschland zu nur drei, in denen Arbeitgeber keine Steuern darauf zahlen müssen, dass sie ihren Mitarbeitenden einen Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung stellen. Für Dienstwagenfahrende gibt es einen Anreiz umzusteigen, da E-Dienstwagen unter einem Listenpreis von 70.000 Euro geringer besteuert sind als Verbrenner (0,25 vs. 1 Prozent). Doch für die Arbeitgeber, die das Auto zur Verfügung stellen, fallen keine Steuern an - hier fehlt ein Anreiz zur Elektrifizierung.

Weil für Arbeitgeber keine Steuern auf Dienstwagen anfallen, bieter es sich an ihren gutverdienenden Mitarbeitenden Dienstwagen zur Verfügung zu stellen. Denn ab den jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen werden keine zusätzlichen Sozialversicherungsbeiträge fällig. Kosten, die durch Dienstwagen entstehen, wie zum Beispiel Tankkosten oder Versicherungen, sind als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar. Daher ist es in vielen Fällen wesentlich günstiger, einen Dienstwagen statt einer Gehaltserhöhung anzubieten. Hier sollte das Steuersystem Anreize geben, einen E-Dienstwagen zur Verfügung zu stellen.

Steuervorteile für fossile Dienstwagen sind nicht nur sozial ungerecht und schlecht für das Klima. Sie kosten den Staat auch 13,7 Milliarden Euro im Jahr. Das ist Geld, das an anderer Stelle dringend gebraucht wird. Deshalb hat die französische Regierung die Besteuerung in den vergangenen Jahren mehrfach reformiert, um klimaschädliche Subventionen abzubauen und Mittel für nachhaltige Investitionen freizusetzen. Der Unterschied zwischen den Steuersystemen der beiden größten Automärkte der EU, Frankreich und Deutschland, könnte nicht größer sein.

Vorbild aus dem Nachbarland: Erfolgreiche Steuerreformen in Frankreich

Nach mehreren steuerpolitischen Reformen in den Jahren 2024 und 2025 verfügt Frankreich nun über ein Steuersystem, das die Elektrifizierung von Privat- und Firmenfahrzeugen gezielt fördert.

1. Bonus-Malus-System

  • Der Bonus gewährt finanzielle Zuschüsse beim Kauf von neuen E-Autos.

  • Der CO₂-Malus belastet neuzugelassene, besonders emissionsintensive Verbrenner- und Hybridfahrzeuge.

  • Ein zusätzlicher Malus auf das Fahrzeuggewicht betrifft besonders schwere Modelle.

2. Jährliche Steuer auf Firmenwagen mit Verbrennungs- und Hybridantrieb

  • Unternehmen müssen jährlich zwei Steuern auf jeden Verbrenner- oder Hybridwagen in ihrem Fuhrpark entrichten – basierend auf CO₂-Emissionen und Luftschadstoffen. Je höher die Umweltbelastung, desto höher die Steuer. Die Sätze steigen seit 2024 jährlich bis mindestens 2027.

3. Elektrifizierungsquoten für große Unternehmensflotten

  • Unternehmen mit mehr als 100 Fahrzeugen unterliegen seit 2022 verpflichtenden Elektrifizierungsquoten, die bis 2030 schrittweise steigen. Seit 2025 wird eine zusätzliche Jahressteuer fällig, wenn diese Quoten nicht erfüllt werden.

4. Reform der Dienstwagenbesteuerung

Im Februar 2025 trat eine Reform der Bestimmung des geldwerten Vorteils von Dienstwagen in Kraft:

  • Verbrenner und Hybride werden steuerlich stärker belastet.

  • Steuervergünstigungen für E-Autos bleiben bestehen, gelten jedoch nur noch für Fahrzeuge mit positivem „Eco-Score“: Nur vollelektrische Dienstwagen, deren Herstellung bestimmte CO₂-Grenzwerte nicht überschreitet, profitieren weiterhin von steuerlichen Vorteilen. Ziel ist es, europäische Hersteller zu stärken und zu verhindern, dass steuerliche Vorteile indirekt an nicht-europäische Hersteller – insbesondere aus China – fließen.

Deutschland, das Schlaraffenland für Dienstwagen-SUVs

In der Betrachtung aller Steuern und Abgaben, die auf Dienstwagen anfallen, als auch absetzbarer Kosten, wie Abschreibungen und den Vorsteuerabzug, gehört Deutschland in Europa zu den Schlusslichtern. Denn hierzulande übersteigen die finanziellen Vorteile, die durch einen fossilen Dienstwagen entstehen, sogar die Steuern, die darauf gezahlt werden müssen. Angenommen, ein Unternehmen stellt einem Mitarbeiter einen benzinbetriebenen Kompakt-SUV zur Verfügung, entgehen dem Fiskus über vier Jahre hinweg Steuereinnahmen in Höhe von 2.753 Euro. Nur in Polen und Lettland wäre dieser SUV steuerlich noch günstiger. Bei besonders großen SUVs ist das deutsche Steuersystem sogar noch großzügiger. Bei einem besonders schweren SUV im E-Segment entgehen dem Staat über vier Jahre 31.363 Euro Steuereinnahmen. Damit ist Deutschland auf Platz 31 von 31. In Frankreich nimmt der Fiskus für das gleiche Auto hingegen 142.912 Euro Steuern ein.

Die niedrige Besteuerung von schweren und CO2-intensiven Autos zeigt sich auf unseren Straßen: Während der durchschnittliche CO2-Ausstoß von gewerblich neuzugelassenen Autos EU(+UK)-weit im vergangenen Jahr bei 104,7 gCO2/km lag, lag er in Deutschland zehn Prozentpunkte höher. In Deutschland werden 30 Prozent aller EU-weiten gewerblichen Neuzulassungen zugelassen, bedingt durch die Größe des deutschen Marktes. Entsprechend stark wirken sich steuerliche Fehlanreize hierzulande auf die Emissionsbilanz und die Marktentwicklung in ganz Europa aus: Ganze 40 Prozent der in der EU gewerblich zugelassenen schweren SUVs (Segmente E bis G nach Dataforce) werden in Deutschland zugelassen.

Privatwagen: Steuerpolitisch kaum Lenkung

Private Autos sind in Deutschland besonders günstig besteuert. Denn die einzige Steuer, die auf sie anfällt, ist die jährliche Kfz-Steuer. Da eine Neuzulassungssteuer direkt beim Kauf eines Neuwagens erhoben wird, hat sie eine größere Lenkungswirkung als die Kfz-Steuer, die jedes Jahr anfällt. Von 31 untersuchten Ländern haben neben Deutschland nur sieben weitere keine Neuzulassungssteuer. Eines dieser Länder ist Schweden, das das allerdings mit einer relativ hohen Kfz-Steuer kompensiert. Zwar ist der CO₂-Ausstoß in die Berechnung der Kfz-Steuer in Deutschland einbezogen, doch bleibt der Steuersatz zu niedrig, um eine wirksame Lenkung zu erzielen. Das zeigt sich auch daran, dass die durchschnittlichen CO2-Emissionen von privaten Neuzulassungen in der EU(+UK) 2024 bei 107,2 gCO2/km lagen. In Deutschland lag dieser Wert bei 115,4 gCO2/km.

Der Blick nach vorn

Die Analyse zeigt, dass das deutsche Steuersystem verglichen mit denen anderer europäischer Staaten keine Lenkungswirkung hin zur E-Mobilität hat. Im Gegenteil: Viele Steuervorteile subventionieren hierzulande den Stillstand. Gleichzeitig lässt der Staat viel Geld auf der Straße liegen, das notwendige Investitionen möglich machen könnte. Daher fordert T&E Deutschland eine Reform der Besteuerung von Dienst- und Firmenwagen:

Handlungsempfehlungen

  • 1

    Sozial-ökologische Reform der Dienstwagenbesteuerung.

  • 2

    Einführung einer nach Gewicht und/oder CO2-Ausstoß gestaffelten Neuzulassungssteuer.

  • 3

    Superabschreibungen für gewerbliche E-Autos.

  • 4

    Schrittweise Reduzierung der Abschreibungsmöglichkeiten für gewerbliche Verbrenner und Plug-in-Hybride

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