Aktion der Kampagne "Your Heavy Duty" von T&E vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. Foto: Chris Streule.
  • BCG-Studie: Europäische Lkw-Industrie könnte bis zu einem Zehntel ihres Absatzes an ausländische Konkurrenten verlieren

    Gelingt es Europa nicht, die Nachfrage nach emissionsfreien Lkw zu abdecken, dann profitieren Tesla und BYD.

    Europäische Lkw-Hersteller könnten bis 2035 11 Prozent des EU-Marktes an ihre Konkurrenten verlieren. Zu diesem Ergebnis kommt die Boston Consulting Group (BCG), die im Auftrag von Transport & Environment (T&E) drei verschiedene Szenarien zu den Auswirkungen des internationalen Wettbewerbs analysiert hat.[1] Die prognostizierten 11 Prozent entsprechen dem Marktanteil der Lkw-Giganten Scania oder IVECO. Er könnte an Tesla (USA) und BYD (China) verloren gehen, wenn die Gesetzgeber:innen europäische Hersteller nicht dazu verpflichten, das Angebot an emissionsfreien Lkw zu erhöhen, so T&E.

    Die Schranken, um auf den Lkw-Markt zu kommen, sind höher als bei Pkw, und der internationale Handel ist heute noch gering. Aber das kann sich schnell ändern, wenn andere Regionen schneller elektrifizieren. BCG hat festgestellt, dass die Nachfrage nach emissionsfreien Lkw in der EU bis 2030 auf 55 Prozent der Verkäufe ansteigen wird, da die Preise sinken. Die derzeitigen Lkw-Flottengrenzwerte bergen jedoch die Gefahr, dass die europäischen Hersteller die Nachfrage nicht decken können. Nach T&E sollten die EU-Gesetzgeber:innen ehrgeizigere Ziele festlegen, um Lkw-Hersteller zur Produktion von mehr emissionsfreien Fahrzeugen zu verpflichten. [2] Dies würde dazu beitragen, die Fehler des Automobilmarktes zu vermeiden. Dort haben europäische Hersteller die Elektrifizierung nur langsam vorangetrieben und stehen nun im verstärkten Wettbewerb mit chinesischen Herstellern, die in den EU-Markt drängen.

    Kim Kohlmeyer, Managerin für E-Mobilität bei T&E Deutschland, sagt: “Unsere Lkw-Industrie läuft Gefahr, dass sich die Absatzverluste an Tesla und BYD wiederholen, die wir bereits auf dem Pkw-Markt sehen. Wenn Volkswagen und Stellantis fünf Jahre zurückgehen könnten, als E-Autos den gleichen Marktanteil hatten wie heute die Elektro-Lkw, würden sie dann die gleichen Entscheidungen treffen? Um ihre Vormachtstellung auf dem heimischen Markt zu behalten, müssen die europäischen Lkw-Hersteller schneller auf Elektrofahrzeuge umsteigen. Ehrgeizigere EU-Flottengrenzwerte und eine grüne Industriepolitik können sicherstellen, dass sie mit der Nachfrage Schritt halten und gleichzeitig die Kosten für die Spediteure senken. Es geht hier also nicht nur um Klima- sondern insbesondere auch um zukunftsgerichtete Industriepolitik.”

    Der Beitrag des Lkw-Herstellungssektors zur europäischen Wirtschaft würde ebenfalls steigen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Ziele würden im Vergleich zu den derzeitigen Standards ein zusätzliches BIP in Höhe von 10 Milliarden Euro schaffen. Die von T&E vorgeschlagenen Ziele würden das BIP um 27 Milliarden Euro erhöhen.

    Kim Kohlmeyer sagt: “Der Übergang zu emissionsfreien Lkw schafft Arbeitsplätze und schützt das Klima. Wie groß die wirtschaftlichen Vorteile sind, hängt aber davon ab, wie schnell die Umstellung erfolgt. Die EU-Gesetzgeber:innen müssen für die Lkw-Hersteller einen ambitionierteren Kurs einschlagen als das, was derzeit auf dem Tisch liegt.”

    Hinweis für die Redaktion:

    [1] Die genauen Auswirkungen des internationalen Wettbewerbs auf den europäischen Markt hängen vom Markteintrittsszenario ab. BCG hat 3 Szenarien für den Markteintritt ermittelt: 1) “Vollständig lokalisierte Produktion”, bei der die EU-Lkw-Hersteller 11 Prozent des Marktes verlieren; 2) “Lokale Montage mit teilweiser lokaler Beschaffung”, bei der 8 Prozent des Marktes an ausländische Konkurrenten verloren gehen; 3) “Importbasierter Wettbewerb”, bei dem die Produktion nie lokalisiert wird und die Importe bei 3 Prozent stagnieren. Diese Szenarien stehen im Gegensatz zu einer “erfolgreichen Verteidigung”, bei der die Lkw-Hersteller in der EU die Nachfrage befriedigen und es ausländischen Wettbewerbern nicht gelingt, Fuß zu fassen.

    [2] Die Zielvorgaben von T&E würden die Lkw-Hersteller verpflichten, die Emissionen ihrer Neufahrzeuge bis 2030 um 65 Prozent und bis 2035 um 100 Prozent zu senken, so dass das Angebot an emissionsfreien Fahrzeugen besser mit der erwarteten Nachfrage übereinstimmt. Zum Vergleich: Die derzeitigen Vorgaben verlangen von den Lkw-Herstellern, die Emissionen von Neufahrzeugen bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, diese Anforderung bis 2030 auf 45 Prozent zu erhöhen und bis 2040 ein Reduktionsziel von 90 Prozent festzulegen.

    Mehr Informationen:

    Studie: Impact Assessment of the Transition to Zero-Emission Trucks in Europe